Eine Ausstellung über Schädlinge, Fressen und Gefressen-Werden
Das leidenschaftliche Bekenntnis „ZUM FRESSEN GERN“ ist das Motto für die Ausstellungssaison 2016 im Stift Admont, die bis 31. Oktober 2016 gelaufen ist. Es waren gefräßige „Bücherwürmer“ in der Stiftsbibliothek am Werk, die nicht der Wissenshunger trieb, sondern ihre Gier nach Papier und Knochenleim. Den Schädlingen konnte man fachgerecht den Garaus machen. Aber damit fing die Arbeit erst richtig an. Buch für Buch, Seite für Seite wurde in der vergangenen Saison begutachtet, gereinigt und wenn nötig aufwändig restauriert. Dieses Thema bildet den Ausgangspunkt für die facettenreiche Sonderausstellung 2016. In mehreren Bereichen des Museums wird die Liebe zum Fressen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.
Barocke Säulenhalle
An allem nagt der Zahn der Zeit. Vergänglichkeit stellt eine Herausforderung dar. Sie ist unabänderlich, hat aber auch ihre Reize. Anhand von befallenen historischen Büchern und naturkundlichen Schaupräparaten wird im Ausstellungsteil in der barocken Säulenhalle der Kreislauf des Lebens sichtbar. Es wird deutlich, welche Herausforderung es im musealen Alltag ist, Jahrhunderte alte Bücher zu schützen und für künftige Generationen zu bewahren. Besucher gewinnen einen Einblick in die Arbeit von Schädlingsbekämpfern und erfahrenen Restauratoren. Welche Art von Schädlingen gibt es eigentlich? Welchen Lebensraum bevorzugen sie? Als wissenschaftliches Anschauungsmaterial werden Leihgaben aus dem Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz heran gezogen. Die Sonderausstellung ZUM FRESSEN GERN ist somit eine interessante und harmonische Aufarbeitung des Schädlingsbefalls der Bibliothek zwischen Kunst und Natur.
Aus dem reichhaltigen Fundus des Museums schöpfen die Berliner Künstler Sebastian Köpcke und Volker Weinhold ihre kulinarische Inspiration. In großformatigen Fotografien erschaffen sie Stillleben, die in prachtvoller Detailgenauigkeit unsere musealen Sammlungsstücke als Zutaten für ein opulentes Menü verwenden. In diesen sorgsam inszenierten Bildern erscheint manch Vertrautes in neuem Licht. Anklänge an die Küchen- und Jagdstillleben der Renaissance und des Barock sind mit Bedacht gewählt. Sachliche Reduzierung und fotografische Präzision verweisen jedoch deutlich auf die Gegenwart. Die Fotografien schlagen zugleich eine Brücke von der kulturhistorischen Ausstellung zur Gegenwartskunst. Sie machen einmal mehr den themenübergreifenden konzeptionellen Anspruch des Museums im Stift Admont deutlich.
Naturhistorisches Museum
Zahlreiche Zugänge zum Jahresthema finden sich auch im Naturhistorischen Museum mit den zahlreichen Präparaten fressbarer und gefräßiger Tiere. Besonders eindrucksvoll ist die Installation mit den 243 Wachsobst-Früchten von Pater Constantin Keller (1778–1864). Heuer findet sich dort eine beeindruckende Leihgabe des Naturhistorischen Museums in Wien. Der „Springende Löwe“ unterstreicht den Aspekt „Fressen und Gefressen werden“ in einer beeindruckenden Art und Weise. Kein Weg führt an ihm vorbei.
Handschriftenraum
Schon in den biblischen Schriften repräsentieren die Tiere einen wesentlichen Teil der Schöpfung und stehen in enger Beziehung zu den Menschen. Im Handschriftenraum findet sich eine Auswahl an Büchern aus den Stiftsbeständen zum Thema „De naturis animalium – Über die Eigenschaften der Tiere“. Sie können sich über die symbolische, naturwissenschaftliche und medizinische Bedeutung der Tiere, deren Haltung und nutzbringenden Einsatz aus der Sicht unserer Vorfahren informieren.
Künstlerische Intervention im Kunsthistorischen Museum
Götz Bury vermittelt uns eindringlich sein Motto „Gut leben ohne nix“. Im Kunsthistorischen Museum hat er eine eigene Version der Wunderkammer geschaffen. Sie steht im verblüffenden Dialog mit der Schatzkammer. Ausgangsmaterial für dieses prachtvolle „Galadiner“ waren alte Küchen- und Haushaltsgeräte, ausrangierte Waschmaschinentrommeln, Küchenspülen-Bleche, Staubsaugerrohre und Türen, sowie weitere „recycelte“ Wegwerf-Artikel.
Museum für Gegenwartskunst
Kochen ist wohl die älteste schöpferische Tätigkeit des Menschen. Aber lassen Sie sich im Museum für Gegenwartskunst von weiteren Aspekten des Fressens und Gefressen-Werdens, nobler und skurriler Speisen, entrückter und verrückter Essens-Perpektiven überraschen! Hätten Sie das erwartet? Admonter Mönche, die mit Essbarkeiten als „One Minute Sculptures“ agieren? Oder Spaghetti-Nudeln als Mikadostäbchen? Ameisen, die Zucker-Architekturen abtragen, zerfressen und den Baustoff in die Nahrungskette eingliedern? Oder wie wäre es damit: Röntgen-Computertomographien von Big Macs, Hamburgern?
Eine Küche wie Frauen sie sich wünschen? Ein Kochperformance-Video ,,in dem ein schwer verdauliches Buch gekocht und verspeist wird“? Schrift-Bilder aus Kuhmist und „plakativ“ die Tiernahrung?
Wo bleibt der Ernst? Anhand von „Fastfood“ kann auch das Verhältnis von Nahrung und Ökologie thematisiert werden. Die moderne Lebensmittelindustrie im Verein mit industrieller Landwirtschaft und dem Konsumentenwunsch nach billigem, immer greifbaren Nahrungsangebot hat eine Spirale der Vernichtung der Ressourcen geschaffen. Des Weiteren: Ein 3000 km Roadtrip von 20 Tonnen Tomaten von der Türkei bis nach Wien karikiert den Wahnsinn unserer Konsumwelt. Ein „Hostienalbum“ verweist auf Parallelen von banalen Handlungen in der Küche zu Zeremonien der Messfeier. Hören Sie Tischgespräche zu „aufgetischten“ Themen, so essentiell, wie das tägliche Brot: Hunger, Flucht, Verlust, Tod, Geburt, Hoffnung, Gespräch, Hilfe, Ankommen. NEU Ist ein Tischgespräch von Lena Knilli über das brisante Flüchtlingsthema!
Repräsentiert findet sich die Gründung einer „bürgerlichen Existenz“ eines Künstlers als Weinhändler.Wie steht es mit dem Wirkgefüge von Kunst, Wissenschaft, Natur? Sogar die Untersuchung des Fressverhaltens von Käfern oder der Kommunikationsprozesse von Bakterien kann zum Ausgangspunkt der Bildproduktion werden. Leben schafft Leben bildet Leben ab.
Klar darf auch ein riesiges hungriges Scherenschnitt-Krokodil nicht fehlen – und auch kein Menschenfresser, keine wilden Wirtshaus- und keine Jagdszenen! Dagegen wirken die miniaturistischen Darstellungen asiatischer Essens-Szenarien wieder so richtig beruhigend. Essen Sie ruhig! Und denken Sie immer daran: Wir bestehen aus dem Gegessenen!
Einen Einblick können Sie im ARF-Video zur Museumseröffnung gewinnen:
Mit Werken von: Götz Bury, Johannes Deutsch, Markus Dressler, Christian Eisenberger, Maria Hahnenkamp, Lisa Huber, Alfred Klinkan, Lena Knilli, Sebastian Köpcke & Volker Weinhold, Edgar Lissel, Alois Mosbacher, Anton Petz, Michael Pisk, Wendelin Pressl, Hannes Priesch, Gerwald Rockenschaub, Kurt Ryslavy, Hubert Schmalix, Ernst Schmid, Deborah Sengl, Gabriele Sturm, Suvat, Erwin Wurm, Fabio Zolly.