KURT RYSLAVY
SPECIAL EXHIBITION AT THE MUSEUM OF
CONTEMPORARY ART
open from 01 April to 01 Nov. 2023
The recently completed work shone with such a bright flash of light that I couldn't look at it fully.
No offence intended
Visibility, value and identity
For almost five decades, Kurt Ryslavy has used his artistic practice to pose questions about (art) value in both qualitative and quantitative terms. In order to make this topic visible, Ryslavy regularly conceives and realises solo exhibitions in which his works are presented alongside those of other artists. This makes it easier for recipients to recognise qualitative differences. Quantitative values can only rarely be recognised in view of the often ambiguous relationship between price and value. In a group exhibition instead of a solo exhibition, we would not necessarily ask ourselves why society values some artworks more than others in terms of higher prices.
Ryslavy's solo exhibitions trigger precisely such questions. His art thus serves as a yardstick and provides us with a starting point that raises the question of the aesthetic value of a work of art, be it artistic, cognitive or moral value. Although his solo exhibitions resemble an installation artwork, this categorisation does not apply because, like conventional exhibitions, they are disassemblable. Undoubtedly, Ryslavy's interest in visualisation, in exhibiting, reflects his long-standing role as a collector, as questions of visibility influence value, both quantitatively and qualitatively.
Die grundlegendste Art und Weise, wie einem Kunstwerk ein Wert zugeschrieben wird, basiert auf der Festlegung eines Marktwertes oder eines Verkaufspreises. Nur ein kleiner Prozentsatz der Kunstwerke, ob sie nun in Ateliers, Galerien oder Museen ausgestellt werden, und ein noch kleinerer Prozentsatz aller geschaffenen Werke, besitzt jedoch tatsächlich einen Marktwert. Ausgestellte Kunstwerke haben einen „Versicherungswert“, wenn auch nicht unbedingt einen Marktwert, da für die Festlegung des Verkaufspreises zwingend lediglich ein Verkäufer (und nicht „der Markt“) erforderlich ist. Die Kunstmesse ist gar ein Ort, an dem jedes ausgestellte Kunstwerk zum Verkauf steht. Man könnte einwenden, dass jene Kunstwerke, die aufgrund ihres Preises keine Käufer finden, keinen Marktwert haben. Der Einfachheit halber wird der Preis eines Kunstwerkes als sein extrinsischer Wert und sein Wert, der bei den Betrachtenden im Sinne von Wertschätzung, Erstaunen, Wiedererkennung oder Bewunderung entsteht, als intrinsischer Wert bezeichnet. Das Wort „Werk“ (engl. „work“) bezieht sich auf den inneren Wert eines Kunstwerkes, weshalb die Verwendung des englischen Begriffes „work“ (dt. Werk bzw. Arbeit) als Kurzform für „Kunstwerk“ (engl. „artwork“) falsch ist. Den zeitgenössischen Kunstwerken, die in Zollfreihäfen eingelagert sind, fehlt es etwa in der Tat an „work“, im Sinne von Auseinandersetzung, denn Bewunderung setzt Sichtbarkeit voraus.
Da jedes Kunstwerk einen intrinsischen Wert hat, aber relativ wenige einen extrinsischen Wert haben, soll hier auf den intrinsischen Wert näher eingegangen werden. Denken Sie an die Objekte, die in Ihrem eigenen Haus „ausgestellt“ sind. Vermutlich könnten Sie erklären, warum Sie sie bewundern, schützen und sogar pflegen, auch wenn niemand sie kaufen will. Wir haben unsere Besitztümer ausgewählt, also schätzen wir sie, selbst wenn niemand sonst ihre Besonderheit anerkennt. Unsere Auswahl verrät viel über uns selbst, und in der Art, wie wir die Objekte, die uns privat umgeben präsentieren, zeigt sich unsere Identität. Ryslavy bezeichnet sich selbst als Konzeptkünstler – vielleicht ist er der einzige Konzeptkünstler der Welt, dessen bevorzugtes Medium die Ölfarbe ist. Sammler, die sich der Beziehung zwischen Präsentation (Sichtbarkeit), Wert und Identität bewusst sind, arbeiten intensiv daran, authentische Identitäten zu schaffen und den inneren, intrinsischen Wert der Kunstwerke in ihrer Sammlung zu betonen. Kurt Ryslavy verfolgt die Strategie, mit Einzelausstellungen diese Themen wiederkehrend ins Spiel zu bringen.
Inspiriert durch den Slogan „200 Bilder, groß und klein. Kein Thema gleicht dem anderen. Interessant für alle“, mit dem die Ausstellung von Louis Michel Eilshemius im Jahr 1911 in New York City beworben wurde, realisierte Kurt Ryslavy 110 Jahre später die Ausstellung „110“, für die er etwa 100 seiner Ölgemälde „zum Mitnehmen“ verhüllt und verpackt auf dem Boden und an die Wand lehnend, dreigeteilt gruppiert, ausstellte. Die erste Gruppe zeigte zehn kleine Gemälde des wenig bekannten österreichischen Malers Franz Schröckenfuchs (*1910 Leoben, †1987 Gratwein), dessen Bilder Ryslavy seit 1982 erwarb. Da weder Schröckenfuchs noch Ryslavy in der Lage waren, den Preis dieser Kunstwerke zu bestimmen, schlug Ryslavy einst Kaufpreise vor, die sich an Gütern des täglichen Bedarfes wie einem Brotlaib oder einem Kilo Rindfleisch orientierten. Drei Wochen nach dieser Ausstellung ersetzte Ryslavy Schröckenfuchs‘ Gemälde durch 12 Werke aus seiner Kunstsammlung. Jedem Kunstwerk wurde ein handgemaltes „Etikett“ beigegeben, das den Namen des Künstlers, das Kaufdatum und die Herkunft sowie Ryslavys besonderen Grund für den Kauf des Kunstwerks enthielt. Sechs Wochen später tauschte Ryslavy diese Paare gegen fünf Kunstwerke aus, die sein Vater gemalt hatte. Dieser war von Beruf Apotheker. Um die Entscheidung seines Sohnes Kurt zu verstehen, der das Pharmaziestudium zugunsten der Philosophie aufgegeben hatte, bevor er Künstler wurde, hatte er im reifen Alter selbst zu malen begonnen. Noch merkwürdiger ist, dass Kurt Ryslavys Stiefmutter erst 27 Jahre nach dem Tod des Vaters daran dachte, ihm diese Bilder zu zeigen. Ryslavy selbst veranschlagte für seine verhüllten Bilder Preise von 1200,- bis 2000,- Euro, doch schätzte er Schröckenfuchs‘ Bilder als unbezahlbar ein. In der nächsten Gruppe konnte man nicht weniger als drei der verhüllten Gemälde von Ryslavy für je € 1.850,- erwerben, unabhängig von der Größe. Seine handgemalten Etiketten waren mit € 2.720,- pro Stück 30 % teurer bepreist, aber etwa 50 % kleiner als die verhüllten Bilder. Seine gesammelten Werke standen zum Verkauf, aber die Preise waren nicht angegeben, und die Käufer wurden gewarnt, dass beim Verkauf kein Kaufnachweis mitgeliefert würde, vermutlich um den Ruf des Verkäufers zu schützen. Für die dritte Gruppe wurde der Verzicht auf eine Preisangabe mit folgender ironischer Erklärung begründet: „Die Werke von Kurt Ryslavy senior (1920-1992) haben keinen Marktwert. Die verpackten Bilder von Kurt Ryslavy in dieser Installation haben einen eher dekorativen Charakter. Für den Verkauf ist die Präsentation unzureichend. Die Kunstwerke sind schlecht präsentiert und die Kunstinstallation ist überbewertet/überschätzt und unverkäuflich. Spende auf Anfrage. (Der Künstler behält sich das Recht vor, nicht mit Weißen, und vorzugsweise mit Frauen zu plaudern)“. Trotz des Mangels an Verkäufen steigerte „110“ den intrinsischen Wert seiner Sammlung und seines Gemäldebestandes, da er den BetrachterInnen viel „Arbeit“ (Ideen zum Nachdenken und Diskutieren) mit auf den Weg gab, was den Wert seines Oeuvres weiter steigerte. Seine verpackten Gemälde boten eine szenische Kulisse für ein Stück in drei Akten. Etikettenbilder aus dem zweiten Akt dienten als autobiografisches Drehbuch. Diese Etiketten verdeutlichen Ryslavys Bestreben, das Publikum seines Oeuvres zu erweitern, ein Punkt, der durch sein umfangreiches Glossar (2017) deutlich wird. Dass er die Ausstellung mit Gemälden von Unbekannten eröffnete und auch schloss (zuerst mit Werken von Schröckenfuchs und zuletzt mit jenen seines Vaters), verdeutlicht die Notwendigkeit von öffentlich sichtbaren Ausstellungen, um einen inneren, intrinsischen Wert eines Kunstwerkes erst zu schaffen. Indem er sein eigenes Werk verhüllt und damit versteckt, wirft Ryslavy wirksam ein Licht auf die Werke anderer.
Previous exhibitions
- "110" Three-part exhibition in Angelinna
(Rivoli Vitrines), Brussels (9 May - 31 July 2021)
- First part of this exhibition in the
Group exhibition Styrian Roots
- Contemporary Art Collection Museum
Admont Abbey (March - November 2022)
Who pushes whom?
Die meisten Gemälde, die Kurt Ryslavy hier offen ausstellt, waren in der Installation „110“ (2021 Brüssel und 2022 Admont) verpackt präsentiert. Auch in dieser Ausstellung zeigt er seine Gemälde neben den Werken anderer Künstlerinnen und Künstler, die nun allerdings aus der Sammlung zeitgenössischer Kunst des Museums Admont stammen. Diesmal wählte Ryslavy in der Rolle eines Kurators gezielt Grafiken, Gemälde, Skulpturen, Installationen und Fotografien von 16 österreichischen KünstlerInnen (geboren zwischen 1931 und 1965) aus, die an einer der beiden Wiener Kunstakademien lehrten oder noch lehren. Damit gelangt ein weiteres autobiografisches Kapitel zum Vorschein. Der in der Ausstellung vertretene Künstler Bruno Gironcoli unterrichtete etwa den renommierten Künstler Franz West, mit dem Ryslavy schon früh befreundet war und dessen Werke er sammelte. Oswald Oberhuber, der auch mit Werken in der Ausstellung vertreten ist, lud Ryslavy als „Meisterschüler“ in seinen Unterricht ein, obwohl er die Aufnahmeprüfung an der Wiener Akademie nicht bestanden hatte. Ryslavys Vorhaben, sein eigenes Werk in den Ausstellungsräumen als „Vertäfelung (Lambris)“ anzubieten und einzusetzen,erscheint zu nächst rätselhaft, da diese architektonische Verzierung primär Wände vor Kratzern oder Beschädigungen durch Stühle und Tische, die gegen die Wände stoßen, schützen soll. So gesehen offeriert Ryslavy durch die bündige Anbringung seiner Gemälde im unteren Bereich der Wände einen Schutz, so als ob er sein Werk zur Verfügung stellt, um das der anderen in derselben Ausstellung befindlichen KünstlerInnen zu schützen. Es stellt kein unerhebliches Risiko dar, das eigene Oeuvre als Wandverkleidung zu verwenden, da die Betrachter versehentlich gegen die Gemälde stoßen oder sie von ihren Haken reißen könnten. In Anlehnung an Aretha Franklins Hit von 1985 „Who’s zoomin‘ who?“ fragt es sich „Who’s bumpin‘ who?“ (Wer schubst wen?). Steigert sich durch diese spezifische „Hängung“ von Ryslavys Gemälde unterhalb der ausgewählten Kunstwerke der anderen KünstlerInnen der Wert seiner Kunst oder steigert seine neuartige Ausstellungsstrategie den Wert der Kunstwerke der anderen? Es bleibt ein leichter Zweifel, dass Ryslavy mit dieser Präsentationsform Bescheidenheit, vergleichbar mit einer tiefen Verbeugung, um Dankbarkeit oder auch Ehrfurcht, vermitteln will. In Anbetracht seiner bemerkenswerten Kunstkarriere (Skulptur Projekte 1997 sowie über 100 Einzelausstellungen in 11 Ländern seit 1980 usw.), die größtenteils außerhalb Österreichs stattfand, spürt man seine Offenheit, sich wieder mit österreichischen Künstlerkolleginnen und Künstlerkollegen zu treffen. Andererseits ist dies vielleicht auch ein Akt entspannter Bilanzziehung angesichts der anfänglichen Ablehnung durch die Wiener Akademie. Wie auch immer, diese Ausstellung ruft aus: „Nichts für ungut… alles ist perfekt, so wie es ist“, was den Wert jedes einzelnen Kunstwerks steigert, da dieses Zusammenkommen an Kunstwerken eine denkwürdige Ära Ende des 20. Jahrhunderts der berühmtberüchtigten Wiener Kunstszene neu belebt.
Sue Spaid
With works by: Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Gunter Damisch, Bruno Gironcoli, Franz Graf, Claudia Hirtl, Brigitte Kowanz, Oswald Oberhuber, Lois Renner, Constanze Ruhm, Eva Schlegel, Ruth Schnell, Ingeborg Strobl, Erwin Wurm and Kurt Ryslavy