Antonius Gratiadei – Ein Admonter Abt in kaiserlichen Diensten
Unter den Admonter Äbten, die als Räte Kaiser Friedrichs III. und Maximilians I. fungierten, nimmt der aus Venedig stammende Antonius Gratiadei eine besondere Stellung ein. Er gilt als eine der umstrittensten Gestalten in der Geschichte der Benediktinerabtei, wurde er doch nicht vom Konvent gewählt, sondern vom Kaiser ernannt und somit den Mönchen quasi aufgedrängt. Im Chronicon Admontense wird das Abbatiat mit wenig positiven Worten beschrieben: Antonius soll Stiftsgüter unterschlagen und schließlich 1491 versucht haben, zu fliehen. Kurz nach seiner angeblichen Flucht wurde Antonius jedoch aufgegriffen und in Gallenstein inhaftiert, wo er kurze Zeit später starb ohne rehabilitiert worden zu sein. Dennoch galt er auch als besonders kunstaffin und bildungsfreundlich, verdankt ihm doch die Stiftsbibliothek Admont 46 Inkunabeln, die er in verschiedenen Offizinen in Europa erwarb und teilweise zusätzlich ausstatten ließ, und mindestens 12 Handschriften. Antonius Gratiadei war ursprünglich Minorit und studierte Theologie in Paris. Wann er mit der kaiserlichen Familie in Verbindung kam, ist nicht dokumentiert; in manchen Schriften wird er als Erzieher Maximilians bezeichnet, was aber nicht nachzuweisen ist.
Ab 1. Oktober 1478 lehrte er als außerordentlicher Professor an der theologischen Fakultät der Universität von Leuven.2 Anschließend war Gratiadei für Erzherzog Maximilian in einigen diplomatischen Vertretungen in Italien tätig. Ende 1480 wurde er nach Florenz geschickt, um zu versuchen, die christlichen Mächte gegen die Türken zu vereinen. Während seines Aufenthalts in der Stadt wurde er für seine rednerischen Qualitäten sehr geschätzt. Am 28. Januar 1481 war er in Rom, wo er mit humanistischen Kreisen und insbesondere mit Bartolomeo Manfredi (Aristophilus) in Kontakt kam. Im Auftrag von Papst Sixtus vermittelte Gratiadei im Jahr 1482 am Basler Konzil und konnte Kaiser Friedrich III. von einer Unterstützung des reformwilligen Prälaten Andreas Jamometić, der das Konzil ausgerufen hatte, abhalten. Der Kaiser beschloss, ihn zu belohnen. Da er notorische Geldprobleme hatte, bot sich für ihn die Übertragung kirchlicher Pfründen, über die er als Landesfürst verfügen konnte, als einzig mögliche Form einer „Besoldung“ an: Gratidei erhielt die Einkünfte der Pfarre Gars in Niederösterreich. Da sich diese aber als zu gering erwiesen, um seine aufwändigen Spesen decken zu können, machte ihn Friedrich III. zum Abt des Benediktinerklosters St. Trudpert im südlichen Schwarzwald.4 In einigen Dokumenten des Jahres 1483 bezeichnet sich Gratiadei selbst als abbas sancti Trudperti. Beendet wurde dieses Abbatiat allerdings sehr rasch durch Erzherzog Siegmund von Tirol. Er wies darauf hin, dass der dortige Konvent bereits einen Abt gewählt und er selbst diese Wahl bestätigt hatte. Kaiser Friedrich III. gab nach und musste nun natürlich schnell ein anderes Kloster für seinen Günstling finden. Er nutzte die Uneinigkeit, die nach dem Tod von Johannes III. von Trauttmannsdorf unter den Mönchen der Benediktinerabtei Admont in der Steiermark entstanden war, und setzte Gratiadei als Abt ein.
Der Konvent fügte sich, nicht ohne sich gewisse Rechte zusichern zu lassen. Gratiadei musste eine Wahlkapitulation unterschreiben, laut derer er ohne Zustimmung des Konvents weder Stiftsgüter verkaufen noch .mter oder Pfründe verleihen durfte. Auch durfte niemand „aus fremder Nation und Zunge“ in den Orden aufgenommen werden. Noch vor Weihnachten dieses Jahres, am 21. Dezember 1483, wurde Gratiadei von Friedrich III. zum Pfalzgrafen und kaiserlichen Berater ernannt. Nach dieser Anerkennung wurde zu Beginn des Jahres 1484 eine zweite Medaille mit seinem Abbild von Giovanni di Candida gestochen. Antonius übernahm während seines Abbatiats zahlreiche diplomatische Aufgaben im Auftrag Friedrichs III. und ab 1486 auch für K.nig Maximilian, bei dessen Krönung in Frankfurt er persönlich anwesend war. Weitere Reisen führten Gratiadei noch für eine Zeitlang in die Niederlande und in seine ehemalige
Wirkungsstätte, die Universitätsstadt Leuwen. Dort machte er am 22. Oktober 1486 von seinen Amtsbefugnissen als „Pfalzgraf“ Gebrauch und nahm die Legitimierung eines unehelichen Brüderpaares vor. Im Oktober 1487 wurde Gratiadei beauftragt, in St. Pölten Vorverhandlungen für einen Waffenstillstand mit dem Ungarnkönig Matthias Corvinus zu führen. Aufgrund dieser Missionen war das Klosteroberhaupt nur sehr selten in seiner Abtei anwesend. Obwohl er sich auch um innerklösterliche Angelegenheiten kümmerte, verließ er das Stift des öfteren, um über St. Gallen nach Linz an den Kaiserhof zu reisen. Die Festung Gallenstein, an der Grenze zu Nieder- und zu Oberösterreich gelegen, war ein Treffpunkt für Besprechungen ein mit speziellen Befugnissen ausgestatteter Notar mit den Prälaten und dem Adel aus den beiden Nachbarländern.
Drei Jahre nach seinem Tod schrieb Kaiser Maximilian auf Ansuchen seines Nachfolgers an den Dogen von Venedig, um die angeblich entwendeten Admonter Stiftsschätze zurückzufordern. Ob daraufhin jemals etwas zurückgekommen ist, bleibt leider im Dunkeln.