DAS GEBET: HERZ DES KLÖSTERLICHEN LEBENS
Die wichtigste Aufgabe der Mönche ist das Gebet. Denn „wenn wir beten, setzen wir Gott an erste Stelle“, sagt Frater Josef Beer. Wie auch seine Mitbrüder betet der Benediktinermönch stellvertretend für alle Menschen, die ihre Sorgen, Ängste und Nöte nicht selbst vor Gott tragen können.
Einstimmig und ohne instrumentale Begleitung erklingen die Melodien in der Chorkapelle des Benediktinerstiftes Admont. Die Gleichförmigkeit des Gesangs bringt „Ruhe und Frieden in unsere Herzen“, wie Frater Josef Beer sagt. Mehrmals am Tag trifft der Benediktiner seine Mitbrüder zum gemeinsamen Chorgebet. Meist finden diese Zusammenkünfte in deutscher Sprache statt. An Sonn- und Feiertagen wird die Vesper in Latein gehalten. Denn das Beten in einer eigenen Sakralsprache soll den festlichen Charakter des Chorgebets und die Einheit der Kirche unterstreichen, die keine Nation oder Sprache bevorzugt. Den Hauptbestandteil des Chorgebets bilden die Psalmen, „die bereits Jesus gebetet hat“, wie Frater Josef betont. Die große Bedeutung des Gebets hat auch der Heilige Benedikt festgehalten: „Hört man das Zeichen zum Gottesdienst, lege man sofort alles aus der Hand und komme in größter Eile herbei“, heißt es in der Benediktsregel Kapitel 43,1. Im Gebet vor Gott zu treten, bedeutet für Frater Josef auch, dies stellvertretend für all jene zu tun, die ihre Nöte, Ängste und Sorgen nicht selbst vorbringen können: „Es gibt so viele Menschen, die Gott nie erfahren haben. Andere tragen zwar diese Sehnsucht im Herzen, tun sich aber schwer, das Zwiegespräch mit Gott aufzunehmen. Für diese Menschen wollen wir vor Gott treten und um ihre Anliegen bitten.“
Gespräche wie mit einem Freund
„Das Gebet ist das Herz des klösterlichen Lebens. Es verleiht jedem Tag Struktur und Rhythmus“, sagt Frater Josef. Schon um 06:15 Uhr treffen sich Admonts Benediktiner, um den Tag mit der Vigil und der Laudes zu beginnen. Um 07:00 Uhr folgt die Heilige Messe in der Stiftskirche, an Sonntagen um 10:00 Uhr. Die Terz, Sext und Non werden zur Mittagszeit gebetet, bevor die Gebete mit der Vesper und der Complet um 17:45 Uhr enden. Zumindest jene, die von der ganzen Gemeinschaft vorgetragen werden, denn „das persönliche Gebet kann immer stattfinden. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Es wird weder von einer fixen Uhrzeit, noch einem vorgeschriebenen Inhalt bestimmt“, sagt Frater Josef. Und wie funktioniert es? „Wie ein Gespräch mit einem Freund, dem man sagt, was man auf dem Herzen hat“, so der Benediktinermönch.
Für ihn trägt das Gebet auch wesentlich dazu bei, die Beziehung zu Gott zu vertiefen: „Es ist wie in einer Ehe oder Freundschaft. Wenn man dem anderen zuhört, mit ihm spricht und ihm Zeit schenkt, kommt man sich näher. Diese Erfahrung habe ich auch mit Gott gemacht.“ Dafür reiche es oft auch aus, einfach nur da zu sein, wie Frater Josef betont: „Manchmal sitze ich in der Stiftskirche, wo ich in Gedanken bei Gott bin, ganz ohne etwas zu sagen. Auch das kann eine Form des Gebets sein.“ Es gibt also viele unterschiedliche Arten, um mit Gott in Beziehung zu treten. Denn „Gebete sind so individuell wie die Menschen selbst“, so der Benediktinermönch, der betont: „Auch jede unserer Aufgaben, die wir mit Liebe und Hingabe verrichten, kann eine Form des Gebets sein. Denn wenn wir unsere Begabungen und Talente nutzen, ehren wir Gott, indem wir seine Geschenke einsetzen.“
Nach Gott suchen
Diese individuellen Gebete mit persönlichen Inhalten zeigen auch, wie sehr sich der Glaube im Laufe der Zeit verändert hat. Waren Gebete noch vor wenigen Jahrzehnten ein fixer Bestandteil des gesellschaftlichen und familiären Lebens, sind sie heute zwar weniger, „dafür sehr viel persönlicher geworden“, sagt Frater Josef. Das Chorgebet im Kloster hingegen folgt nach wie vor denselben Abläufen, die sich nach alten Überlieferungen richten. Viele Psalmen, die dabei verwendet werden, haben bereits um die zweitausendfünfhundert Jahre überdauert. Einer dieser Psalmen lautet: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen.“ Zu diesen Sätzen hat Frater Josef einen besonderen Bezug: „Sie helfen mir immer wieder, mich auf meine Berufung zu besinnen“, sagt er. Und wie lautet diese Berufung? „Nach Gott zu suchen. Das ist die Hauptaufgabe von uns Mönchen.“ Wird diese Suche auch in einem Finden enden? „Ja, und zwar mit unserem Tod. Dann werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Doch auch jetzt ist Gott für mich in vielen Dingen ansatzweise erkennbar“, wie der Benediktinermönch betont. Gottes Handschrift sieht er vor allem „in der Natur, wenn ich in den Bergen bin und seine Schöpfung bestaunen kann. Das heißt für mich, in der Gegenwart Gottes zu sein.“